Tuesday, 3 April 2012

Cyberdeath

Gerade eben hatte ich es mit meinem ersten Cyber-Todesfall zu tun. Darunter verstehe ich das Versterben einer Person, die man zwar "nur" aus dem Netz kannte, die man aber trotzdem irgendwie zu kennen glaubt, und vielleicht auch in bestimmten Aspekten besser kennt, als die, die direkt um einen herum sind. Euch erzähle ich ja auch Dinge aus meinem Leben, die ich sonst nicht unbedingt jedem aufs Brot schmiere.

In diesem Fall handelte es sich um jemanden  ein paar Jahre älter als ich, aber immer noch weniger als 20 Jahre Unterschied. Bei Twitter gibt es ein Mitglied, dass aktiv über die Nachbarschaft twittert, und als es in einer Diskussion um meinen Lieblingsasiaten ging, war ich voll mit dabei, und weil sie genauso auf deren Essen stand wie ich, fing man an zu quatschen. Erst über Essen, dann über Anderes, und irgendwann fragte man dann auch einfach so, wie es der Anderen gerade ging. Über mehr ging es nie hinaus, und trotzdem hab ich immer ab und zu an Sie gedacht, wenn ich beim Asiaten saß und Soyabohnen knabberte. Über die hatten wir uns auch des öfteren unterhalten, die sind nämlich dort besonders gut.

Vor kurzem, nachdem ich meine Magenspiegelung hatte, es ist also maximal 4 Monate her, schrieb sie mir, dass sie auch oft Magenprobleme hätte, bei der Untersuchung aber nichts rausgekommen sei.
Im Februar dann lese ich, dass sie im Krankenhaus ist, weil ein melonengroßer Tumor in ihrem Unterleib gefunden wurde. Was gruselig ist, denn ich hätte vermutet, dass man den auf Grund ihrer zierlichen Figur (Fotos und was es nicht alles gibt im Netz) schon bemerken hätte müssen, aber so kann man sich täuschen.

Was mich allerdings da schon beeindruckt hatte: Hätte man bei mir von heute auf morgen einen Tumor in der Größe einer Wassermelone(!!!) gefunden (sie war da sehr spezifisch), ich währe in Panik versunken, durchgedreht und hätte mich aufgegeben. Statt dessen war sie immer positiv, zu scherzen aufgelegt, und wusste heiter aus dem Krankenhausalltag zu berichten.

Und Updates über den Speiseplan gab es auch immer. Anfang März bekam sie dann Erlaubnis, nach der Op über's Wochenende nach Hause zu gehen, weil Blutwerte etc vielversprechend waren.

Und dann wurde es still. Weil Twitter dann doch eine Flut von Nachrichten ist, und ich in der letzten Zeit doch Stress mit Arbeit und allem hatte, hatte ich nicht weiter drüber nachgedacht, nichts mehr gehört zu haben. Man verpasst sich ja auch schnell, und jemand , von dem man erwartet, er sei auf dem Weg der Besserung, hat ja bestimmt auch Anderes zu tun.

Heute dann, als ich nach einem durchwachsenen Tag nach Hause kam, überkam mich dann die Lust auf eben jenen Asiaten. Und da dachte ich dann an sie, und wollte wissen wie es ihr geht. Ich suchte also ihr Profil, und musste feststellen, dass sie von uns gegangen ist. Von uns als virtuelles Mitglied einer kleinen semivirtuellen Gemeinde, deren Spuren doch ganz real in der Nachbarschaft zu finden sind. Von ihrem reellen Umfeld, das am Boden zerstört sein muss.
Einen Tag vor ihrem Ableben war sie noch optimistisch, machte Verabredungen mit Freunden, hatte ein offenes Ohr für deren Klagen über suboptimale Wohnsituationen. Alles nichtig im Hinblick auf das jetzt.

Ich finde es bedrückend, dass soetwas so schnell passieren kann, Jemandem, den man irgendwie dann doch ein bischen kennt, aber nicht gut genug, um sich irgendwie anmaßen zu können, große Beileidsbekundigungen zu machen. Das steht mir und keinem sonst auf Twitter zu (außer denen, die sie in "Echt" kennen). Ich fände das als Angehöriger auch seltsam.

Statt dessen werde ich heute wie eh geplant zum Asiaten gehen, den sie genauso sehr mochte wie ich, und ihr Lieblingsessen bestellen (dass ich gottseidank auch mag). Und mir dabei vor Augen halten, wie schnell alles vorbei sein kann.
Ich glaube, das hätte sie gut gefunden.


PS: Man hat mir heute gesagt, dass ich warscheinlich bis Juni unbezahlt frei habe, das ist in Anbetracht der Neuigkeit aber eher unwichtig.

2 comments:

  1. Es kann wirklich schnell gehen, das sehe ich auch in meinem Umfeld. Deshalb sollte man eigentlich das Leben in vollen Zügen genießen.

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  2. Menschen sollten einfach mehr machen, und sich nicht durch falsche Zwänge zurückhalten lassen.

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