Friday 10 February 2012

Pietät

Ich bin ja grundsätzlich der Meinung, dass es keine richtige Art zu trauern gibt.
Dass jeder, der einen Trauerfall erlebt, das für sich ausmachen muss, wie damit umgegangen wird (außer in den Fällen, wo Trauer in Depression umschlägt, und dann vielleicht doch Hilfe von außen kommen muss, zumindest wenn man aus dem Loch nicht mehr heraus kommt).

Diese Entscheidung aber, denke ich, sollte bei denjenigen liegen, die es direkt betrifft.

Heute auf der Arbeit, wurde einer Kollegin ein Anruf durchgestellt. Das ist bei uns extrem ungewöhnlich, da arbeitsintern nur direkt oder per email kommuniziert wird (alleine schon um Missverständnisse zu vermeiden). Mir war direkt klar, was passiert war, denn sie hatte einmal im Team verlauten lassen, dass ihr Vater schwer krank sei. Als mich die anderen im Team fragten was los sei, sagte ich ihnen dass ich vermute, es hätte etwas damit zu tun. Das tat ich nur, weil diejenigen, mit denen ich sprach, ohnehin um die Situation wussten.

Leider nahm das eine aus unserem Team zum Anlass, den Tod des Vaters zu verkünden, obwohl wir noch gar nicht wussten ob es denn stimmt. Am schlimmsten daran fand ich vor allem, dass sie das Leuten erzählte, die von der Ausgangssituation gar nichts wussten, und die, wie ich finde, das alles auch gar nichts anzugehen hat, es sei denn, die Kollegin entscheidet sich dazu es ihnen zu erzählen.

Daneben fand ich auch, dass jetzt jeder, der sonst nicht viel mit ihr zu tun hat, plötzlich auf sie los lief, als sie in Tränen zum Platz kam, fragend, was passiert sei. GEHT EUCH NICHTS AN!
Ich hasse solche Sensationsgier. Wenn sie will, wird sie es erzählen. ENDE.
Aber schon innerhalb kürzester Zeit war sie umringt von Menschen, die auf sie einredeten.
Und das, obwohl sie eigentlich nur mit ihren Freunden im Büro darüber gesprochen hätte.
Reicht doch auch, oder? Ich hasse es wenn mal was in der Art passiert, und diese Zwagsbekanntschaften so tun als ob sie selbst direkt betroffen seien.

Dem Fass den Boden schlug aber die Kollegin neben mir aus.
Die fing nämlich an plötzlich wie eine Sirene zu heulen, schnufte und schluchzte was das Zeug hielt.
Ich fand das nicht nur unangemessen sondern direkt bizarr.
Die hat mit der Kollegin direkt nichts zu tun, was über Arbeit hinaus geht. Die kennt den Menschen nicht, der da gestorben ist, noch weiß sie besonders viel über die Trauernde.
Sitzt aber dann da und heult wie eine junge Kriegswitwe.
Wie grotesk ist das denn???
Mal abgesehen davon dass ich das etwas asozial finde, wenn man auf diese Art und Weise die Aufmerksamkeit auf sich ziehen muss.
Wenn einen das mitnimmt, dann ist das gut und schön, aber muss man denn vor dem eigentlichen Trauernden so ein Spektakel veranstalten? Ich würde mich komplett verarscht fühlen, wenn ein fast Fremder sowas abzieht.

Oder wie seht Ihr das?

3 comments:

  1. Stimme dir total zu. Als mein Vater beinahe gestorben ist, war ich froh, wenn ich die Arbeit irgendwie überstanden habe. Ich musste auf der Arbeit funktionieren und wenn mich dann jemand angesprochen hat drauf, wollte ich meist nicht darüber reden, weil es sonst wieder lange gedauert hätte, bis ich die Fassung gefunden hätte.
    Zum Heulen der anderen Kollegin: das sehe ich ein wenig anders: wer weiß, was sie erlebt hat, dass sie so reagiert. Als vor kurzem die Mutter einer Kollegin gestorben ist, hab ich beinahe mitgeheult (ich hab's dann erst später getan), weil mich das an einen Todesfall in meiner Familie erinnert hat und 2. weil sie mir sehr leidgetan hat...

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  2. Das ist es ja: Bei der ist überhaupt nichts passiert.
    Beide Eltern noch da, keine schwerwiegenden Sachen im Familien oder Freundeskreis.

    Ich hätte auch noch verstanden, wenn sie leise vor sich hin geweint hätte, wie andere das auch getan haben,
    aber sie war wirklich im ganzen Büro zu hören.

    Ich sehe auch noch einen Unterschied darin ob einer ehrlich mitgenommen ist und mitweint, oder ob "die dicke Frau in der Oper stirbt".
    Hier war es leider letzteres.

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  3. Ja, so sind sie die Menschen. Wollen immer ihre Nase dort reinstecken wo sie nicht hingehört. Ein leises: "Wenn Du reden magst, oder Hilfe brauchst, sag Bescheid!" und dann in Ruhe lassen hätte absolut gereicht!

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